Die Überschrift mag zunächst verwundern, erfreut sich das Mittel der Vorsorgevollmacht doch zunehmender Beliebtheit und Verbreitung in der Bundesrepublik. Dieser Beitrag wird aufzeigen, dass den Vorteilen jedoch auch Nachteile gegenüberstehen. Am Ende wird sich zeigen, dass eine allgemeinverbindliche Empfehlung für oder gegen die Vorsorgevollmacht nicht ausgesprochen werden kann.
Eine Vorsorgevollmacht ist rechtlich zunächst einmal eine ganz normale Vollmacht. Deren Inhalt weist allerdings immer wieder die gleichen Komponenten auf, deren Zusammenfassung die Charakterisierung als besondere Art der Vollmacht zulassen. Anders als etwa in Österreich ist die Vorsorgevollmacht in Deutschland aber nicht gesetzlich definiert oder besonders geregelt. Lediglich vereinzelt finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch Regelungen, die an die Vorsorgevollmacht anknüpfen, sie mithin auch voraussetzen, so in § 1908f Abs. 1 Nr. 2a, 1901c S. 2 und insbesondere 1896 Abs. 2 S. 2 BGB.
Die Vorsorgevollmacht weist typischerweise die allermeisten Elemente einer Generalvollmacht auf und geht in Fragen etwa der Gesundheitsfürsorge noch darüber hinaus. So kann der Bevollmächtigte, wenn der Vollmachtgeber selbst seinen Willen nicht (in geschäftsfähiger Weise) äußern kann, über die Vor- oder Nichtvornahme bestimmter Behandlungen oder eine Unterbringung entscheiden. Letzteres freilich ist insofern unproblematisch, dass solche Situationen regelmäßig der Grund für eine Vorsorgevollmacht sind. Der Vollmachtgeber will sicherstellen, dass eine Person seines Vertrauens diese Entscheidungen treffen kann, wenn er selbst nicht mehr dazu in der Lage ist.
Jedoch gibt es für das Inkrafttreten der Vorsorgevollmacht prinzipiell zwei Möglichkeiten. Die eine setzt – vereinfacht gesagt – voraus, dass der Vollmachtgeber nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen zu äußern (sog. Vorsorgefall). Der Vollzug ist damit jedoch unvermeidlich daran gebunden, diesen Zustand möglichst rechtsverbindlich festzustellen (vgl. etwa OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.10.2010 – 20 W 399/10). Hierfür wird mindestens ein ärztliches Gutachten, wenn nicht sogar zwei unabhängige erforderlich sein.
So eine Bedingung ist – entgegen teils anderer Verlautbarungen – rechtlich ohne Weiteres zulässig. Jedoch stellt sie dann aber auch ein erhebliches praktisches Hindernis für den Bevollmächtigten dar. Er wird erheblichen Aufwand betreiben und einen nicht unbedeutenden Zeitraum benötigen, diese Voraussetzungen zu schaffen.
Aus diesem Grunde findet sich in den allermeisten Vorsorgevollmachten eine solche Bedingung nicht, sondern nur eine entsprechende Anweisung im Innenverhältnis. Dies hat aber – ohne dass es jedem Vollmachtgeber bewusst sein dürfte – die einschneidende Konsequenz, dass die Vollmacht sofort wirksam ist und der Bevollmächtigte – im Außenverhältnis wirksam – auch unmittelbar von dieser Gebrauch machen kann, ohne dass der Vollmachtgeber in irgendeiner Form eingeschränkt sein sollte. Man wird zwar annehmen können, dass das zwischen Vollmachtgeber und -nehmer bestehende Vertrauensverhältnis in fast allen Fällen dazu führt, dass die Vollmacht nicht gegen den Willen des Vollmachtgebers missbraucht wird. Dennoch besteht jederzeit eine zumindest latente Missbrauchsgefahr.
Das ist im Prinzip richtig, kann im Ernstfall aber dennoch zu Problemen führen. Denn die Vollmachtsurkunde muss hierfür erst einmal zurückgegeben werden, § 172 Abs. 2 Alt. 1 BGB. Zwar kann die Rückgabe gerichtlich erzwungen werden, was aber passiert, wenn eine Vollstreckung erfolglos bleibt, weil die Urkunde (scheinbar) nicht mehr auffindbar ist, der Vollmachtgeber aber befürchten muss, dass der Bevollmächtigte diese doch noch besitzt? Dann muss eine Kraftloserklärung mittels öffentlicher Zustellung, § 172 Abs. 2 Alt. 2 BGB, erfolgen. Es kann also ein erheblicher Aufwand erforderlich sein. Natürlich gilt das für jede Vollmacht, bei einer so weitreichenden sind die Konsequenzen aber besonders gefährlich. Übrigens: Wo sich der Vollmachtgeber durch Kraftloserklärung weitgehend schützen kann, muss der Dritte, dem die Vollmacht vom Bevollmächtigten dennoch vorgelegt wird, keine Kenntnis vom Erlöschen haben, um haftbar zu sein. Hiergegen ist er im Falle der Innenvollmacht also schutzlos gestellt.
Potenzielle Vollmachtgeber sollten sich also gut überlegen, ob, wann und unter welchen Voraussetzungen oder Bedingungen sie eine solche Vollmacht erteilen. Wer hier größtmögliche Sicherheit mit weitestgehender Handlungsfreiheit verbinden will, steht hier ganz eindeutig vor einem Zielkonflikt. Ein Allheilmittel zu dessen Lösung kann das Recht nicht liefern. Das wichtigste Schutzinstrument dürfte hier die richtige Auswahl des Bevollmächtigten sein. Auch können bestimmte Aspekte der Gesundheitsfürsorge vorrangig in einer Patientenverfügung geregelt werden.
Manche Stellen, insbesondere Banken, akzeptieren eine nicht notariell beurkundete Vorsorgevollmacht grundsätzlich oder regelmäßig nicht. Das kann den Grund haben, dass sie dem oben aufgezeigten Risiko bei der Innenvollmacht (vgl. den Exkurs) aus dem Weg gehen und einen Widerruf ihnen gegenüber sicherstellen wollen oder – wahrscheinlicher – dass sie Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers haben. Es kann aber auch den einfachen Grund haben, dass diese Vollmachten meist ihre Vorlage im Original verlangen, was etwa das Online-Banking unmöglich macht und auch ansonsten den Bevollmächtigten jedes Mal zur Vorlage zwingt, wenn er jede noch so kleine rechtserhebliche Erklärung abgeben will, etwa einen Überweisungsauftrag abgeben. Man sollte also dafür gewappnet sein und bereits frühzeitig für die Erteilung entsprechender Kontovollmachten oder vergleichbarer Vollmachten sorgen.
Vollmachten sind stets ein heikles Thema. Ihre Erteilung sollte wohl überlegt sein. Gleichzeitig muss uns aber klar sein, dass es völlige Sicherheit eben nie geben kann und ein gewisses Maß an Unsicherheit zur Vorbeugung von Problemen im Einzelfall durchaus sinnvoll sein kann. Jedenfalls aber sollte in Betracht gezogen werden, die Vollmacht notariell beurkunden zu lassen. So können Dritte im Rechtsverkehr darauf vertrauen, dass der Notar die Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers im Zeitpunkt der Erteilung der Vollmacht geprüft hat, wodurch die Akzeptanz der Vollmacht steigt.
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