Beim wöchentlichen Einkauf dürfte sie jeder schon gesehen haben – die auf Supermarkt- oder anderen Kundenparkplätzen aufgestellten Schilder mit der Aufschrift „Hier gilt die StVO“.
Diese Schilder haben für gewöhnlich keinen selbstständigen Regelungsgehalt, sondern dienen als bloßer Hinweis, ist doch mittlerweile anerkannt, dass auf Parkplätzen, die dem öffentlichen Straßenverkehr, also einem unbestimmten, nicht genau abgegrenzten Personenkreis, zugänglich gemacht sind, von Gesetzes wegen die StVO Anwendung findet. Dies ist etwa auf Supermarktparkplätzen für gewöhnlich der Fall. So gilt hier insbesondere auch das sich aus § 1 StVO ergebende Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme.
Bislang nicht einheitlich beantwortet wurde jedoch die Frage, ob auch die Regel „Rechts vor links“ (§ 8 Abs. 1 S. 1 StVO) zur Anwendung kommt, sei es unmittelbar, in entsprechender Anwendung oder über die allgemeine Norm des § 1 Abs. 2 StVO.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Frage nunmehr höchstrichterlich entschieden (BGH, Urteil vom 22.11.2022, Az.: VI ZR 344/21). Nach ihm gilt die Regel „Rechts vor links“ hier im Grundsatz nicht. Er begründet dies damit, dass es an einem eindeutigen Straßencharakter (vgl. auch den Wortlaut des § 8 Abs. 1 S. 1 StVO – „Kreuzungen und Einmündungen“) fehle. Parkplätze dienten nicht der möglichst zügigen Abwicklung des fließenden Verkehrs, sondern der Erschließung der Parkmöglichkeiten durch Eröffnung von Rangierräumen und der Ermöglichung von Be- und Entladevorgängen.
Vielmehr gelte hier das allgemeine Rücksichtnahme- und Verständigungsgebot.
Die Regel „Rechts vor links“ komme nur dann ausnahmsweise nur Anwendung, wenn sich durch die bauliche Gestaltung der Fahrspuren und die sonstigen örtlichen Gegebenheiten für den Verkehrsteilnehmer unmissverständlich ergibt, dass die Fahrbahnen in erster Linie der Zu- und Abfahrt und damit dem fließenden Verkehr dienen. Dies kann meines Erachtens insbesondere dann der Fall sein, wenn es auf dem Parkplatzgelände Straßen gibt, die die Abfahrt zum eigentlichen Parkbereich und umgekehrt ermöglichen, so wie z.B. oft in großen Einkaufszentren oder bei bekannten Möbelmärkten.
Auf öffentlichen Parkplätzen ist also zu stets vorsichtiger und wachsamer Fahrweise zu raten. Ein Recht auf Vorfahrt ergibt sich hier regelmäßig nicht. Ob das Fehlen einer klaren Regelung hier nicht zu größerer Unsicherheit und damit Problemen führt, steht auf einem anderen Blatt.